Erster Tag: Dienstag, 26.3.95

Logbuch-Eintrag 28.3., 15:00, Flughafen Birmingham

Um 12:05 soll unser British-Airways-Flug in Frankfurt starten. Aber schon bei der Ankunft am Flughafen (11:15 Uhr) erfahren wir, daß der Flieger erst um 12:55 gehen wird (später wurde es dann 13:10, aber was sind schon solche Details angesichts der Reise, die wir noch vor uns hatten).

Und hier Rätsel Nummer eins. Wenn der freundliche Grenzbeamte bei der Paßkontrolle lächelt und fragt "Wohin soll es denn gehen?", was hat man dann falsch gemacht? Bingo, der Personalausweis ist abgelaufen (bei Ela natürlich, Claudias ist noch ein paar Wochen gültig).

Naja. Zum Glück ist Ela weder häßlich noch unfreundlich, und daher ist es dem jungen Mann ein Vergnügen, ihr ein "Übergangsdokument" auszustellen, das bis zum Tag unserer Wiederkehr gültig ist (hoffentlich verspäten wir uns nicht).

Über den Wolken

Der Kapitän entschuldigt sich artig für die Verspätung und macht das schlechte Wetter verantwortlich, was wir ihm sogar abnehmen, denn in der Tat hatte es in den vergangenen Tagen in Frankfurt geschneit wie selten im vergangenen Winter. Wir haben "Nichtraucher" verlangt, was aber ein ziemlicher Witz ist, denn wir sitzen in Reihe 15, und ab Reihe 16 ist Raucher, natürlich ohne gesonderte Abtrennung. Claudia fächelt sich mit dem BA-Reisemagazin Luft zu wie blöde, aber damit kann sie den Typen hinter ihr nicht vom Rauchen abbringen. In Birmingham (unserem Zwischenstopp auf dem Weg nach Glasgow) angekommen, erfahren wir, daß wir den Anschlußflug verpaßt haben. Prima, die BA erklärt sich bereit, uns den nächsten Flug (15:15) nach Edinburgh zu gewähren und von dort mit dem Bus nach Glasgow zu bringen. Statt, wie geplant, um 14:30 Uhr, kämen wir dann gegen 17:30 Uhr an. Auf unsere Frage, wieso wir denn nicht einfach den nächsten Flug nach Glasgow (der ginge um 16:00 und wäre 16:30 Uhr da) nehmen können, antwortet man lächelnd im Eriwan-Stil: Im Prinzip ja, aber der Flug sei auf unbestimmte Zeit verspätet.

Wie wir hier sitzen und warten (Ela schreibt an ihren Freund, Claudia an einen Verehrer, ich am Tagebuch - hier das Bild in groß), frage ich mich, ob die BA gemeinsame Sache mit dem Restaurant nebenan macht. Sieht recht einladend aus, und wahrscheinlich sind die Verspätungen geplant, um dem Restaurant mehr Zulauf zu verschaffen. Ich habe übrigens bei der Autovermietstation angerufen, um unsere Verspätung anzukündigen - relativ unbedeutend, denn sie wissen ohnehin nichts von meiner Reservierung, die müsse wohl verloren gegangen sein, und ich solle dann halt einfach vorbeikommen. Nun ist es 15:10, und ich vermute, daß das mit dem Abflug 15:15 nach Edinburgh nicht mehr so ganz klappen wird...

Logbuch-Eintrag 28.3., 22:20, im Bett

Wenige Minuten später erschallt der Gong, und eine plastikfreundliche Stimme bittet uns, nun zum Gate zu gehen. Das "Gate" ist eine Tür nach draußen, und davor wartet ein Omnibus, der uns nach abermals zehnminütiger Wartezeit ein paar Meter weit zu einem parkenden Flieger (wow, Propeller!) bringt. Die kleinste Linienmaschine, mit der ich bislang geflogen bin, nur 64 Sitze, zwei links, zwei rechts des Ganges, dafür aber (Inlandsflug!) keine Raucher. Und wieder ein kaum vegetarischer Imbiß und wieder Drinks und "Tea or Coffee" - damit die Passagiere nicht so viel über ihre mißliche Lage nachdenken können... Der Pilot sagt, das Wetter bessere sich.

In Edinburgh angekommen (etwa 17:00 Uhr), hat man nicht mal mehr einen Bus für uns übrig, sondern wir traben zu Fuß ins Flughafengebäude. Finden dort auch recht flott unsere Koffer (Kontakt mit zahlreichen Gleichgesinnten) und verladen sie in den Bus, dessen Fahrer wenig redet, aber aussieht, als könnte er recht gut und vor allem flott busfahren.

Nicht für alle ist der "Umweg" so nervig; eine junge Frau mit quengelndem Kind lassen wir unterwegs raus - für mich Zeichen, daß wir wahrscheinlich mehr als die Hälfte schon zurückgelegt haben, sonst hätte sie ja gleich Edinburgh gebucht und nicht, wie alle rund 20 Businsassen, Glasgow.

Ziemlich genau um 18:30 erreichen wir den Flughafen Glasgow, nachdem wir die halbe Stadt auf dem M8 durchquert haben (von Edinburgh aus liegt der Airport einige Meilen hinter Glasgow). Raus aus dem Bus, und ab zur härtesten Prüfung: Die Autovermietung. Alamo teilt sich mit drei anderen Autovermietern eine kleine Baracke samt großem Parkplatz, und unser Bus hatte uns mittendrin abgesetzt.

OK, wir waren ja darauf vorbereitet, daß sie uns tausend Zusatzversicherungen aufschwatzen wollten (die wichtigste namens "CDW" ist bereits inklusive und versichert gegen Diebstahl und Fremdschäden bis £ 250.000), und NEIN ist unsere Antwort. Ob wir nicht auf eine größere Wagenklasse umsteigen wollten, da wir ja (man hatte uns ausgefragt) offensichtlich eine aufwendige Route vorhatten - NEIN. Einen zusätzlichen Fahrer registrieren, ja gut, das sind £1.50 am Tag, dafür daß auch Claudia fährt - fahren kann sie so oder so, aber auf die Weise gibts auch Versicherungsschutz.

Aber dann kam doch noch ein heftiger Klops: Sage und schreibe £ 6.00 am Tag, das waren insgesamt rund DM 240,-, sollten wir zahlen, weil die Fahrer unter 25 Jahre alt sind! Das war vor zwei Jahren noch anders, und der Prospekt des Veranstalters, über den wir den Wagen gebucht haben, sagt deutlich: "Bei Kategorie soundso bis soundso wird für Fahrer unter 25 Jahren ein Aufpreis fällig...". Unsere Kategorie fällt definitiv nicht in den soundso-Rahmen. Da die Dame aber nicht umzustimmen ist und auch nicht genug Deutsch kann, um den ihr unter die Nase gehaltenen Zettel zu deuten, beißen wir in den sauren Apfel und beschließen, das später mit dem Reiseveranstalter zu klären.

Nachtrag 1996: Das Geld wurde mir später vom deutschen Veranstalter zurückerstattet. Neuerdings ist der Aufpreis für den 2. Fahrer lt. Prospekt auch bereits enthalten, aber wie üblich wissen die Vermieter vor Ort davon nichts und berechnen ihn. Peanuts!

Und als hätte das Schicksal einen kleinen Trost parat: Nach Schlüsselaushändigung am Wagen angekommen, stellen wir fest, daß es sich doch um die größere Kategorie handelt - gebucht und bezahlt war ein Vauxhall (Opel) Astra, jetzt fahren wir einen "Cavalier" (Vectra). Hübscher Wagen, mit genug Platz für Gepäck. Wollen die uns nochmal reinlegen und den Aufpreis später noch von der Kreditkarte abziehen? Aber ein Rundumblick auf dem Parkplatz macht klar, warum sie uns zur größeren Kategorie überreden wollten: Gar kein Astra da, nur Corsa und Cavalier, und vertragsgemäß steht uns dann die größere Klasse zu. Gut, und ab in den Norden!

Endlich unterwegs

Nach wenigen Minuten überqueren wir für 60p die Erskine Bridge und erreichen bald darauf das südliche Ende von Loch Lomond (mit Runrig-Cassette, natürlich - obwohl wir später meistens Paddy goes to Holyhead gehört haben). Bilder von Loch Lomond gibt es hier. Die Straße nach Norden hat erst 4, dann nur noch 2 Spuren. Luss heißt ein kleiner Touristenort am Weg, wo wir kurz anhalten, um vor Sonnenuntergang noch ein Foto zu schießen. Man sieht vom Ufer des Loch Lomond die in rötliches Licht getauchte Spitze des Ben Lomond (3194ft), gleich gegenüber. Der Himmel ist klar, das Wetter scheint sich mit jedem Meter, den wir nach Norden kommen, zu bessern.

Wir halten uns immer in Richtung Crianlarich; ab Tarbet wird die A82 ziemlich schmal, ganz so, als wolle sie es dem Loch Lomond gleichtun, das sich mehr und mehr verdünnisiert. Links wird die Straße durch eine Mauer begrenzt, und wenn einem in den engen Kurven LKW entgegenbrausen - die mußten sich nicht erst vor einer Stunde ans Linksfahren gewöhnen! - kann einem ziemlich mulmig werden. Wenn man dann noch einen ortskundigen, ungeduldigen Drängler hinter sich hat, ist es besonders unangenehm, denn Gelegenheit zum Überholen ist hier kaum.

Jetzt sind wir in einer B&B-Unterkunft zwischen Inveraran und Crianlarich gelandet. Eine nette Familie; unseretwegen (oder unseres Geldes wegen, £ 15.00 pro Nase für Bed & Breakfast ist nicht billig) räumt die Tochter ihr Zimmer. (Über B&B habe ich einen eigenen Artikel geschrieben.) Wir plaudern ein wenig, machen noch einen kurzen Spaziergang und lassen uns in die wärmflaschenbehandelten Betten plumpsen.


Weiter (2. Tag)


  Frederik Ramm, 2001-04-28