Sechster Tag: Sonntag, 2.4.95

Logbuch-Eintrag 2.4., abends (Wecker kaputt, daher keine Zeitangabe)

Das Frühstück war wieder ganz in Ordnung, vom Spiegelei abgesehen - was machen die Briten bloß immer mit den Eiern? Wir fuhren durch Drumnadrochit hindurch und genossen von der Straße aus den Blick auf die Ruine des Urquhart Castle (wird etwa "Örk´t" ausgesprochen, sorry, daß dieser Rechner keine Lautschrift kann). Drei Pfund (rund sieben Mark) sollte der Eintritt kosten, nein danke, die spinnen doch, die Briten - wo schon der Reiseführer sagt, daß es von innen eigentlich weit weniger eindrucksvoll ist.

Weiter führt uns die A82 am Loch Ness entlang, bis wir bei Invergarry auf die A82 und wenig später nach Westen auf eine nicht numerierte Single Track Road abbiegen.

Über eine Stunde fuhren wir in diese Sackgasse, durch das Glen Garry, am Loch Quoich vorbei (eindrucksvoller Staudamm übrigens [großes Bild hier]- ich möchte wetten, die Schotten bestreiten einen beträchtlichen Anteil ihrer Stromversorgung mit Wasserkraft) bis nach Kinloch Hourn. Gegen Ende wird die Straße besonders abenteuerlich, und bei gutem Wetter hätten wir dort den halben Tag wandernd und die tolle Landschaft bestaunend verbringen können. Leider hatte es zu regnen angefangen, und so blieb uns nur ein kurzer Spaziergang, bevor wir die Rückfahrt antraten.

So ein Pech: Zu Fuß wären es von hier bis Arnisdale nur sieben Meilen nach Nordwesten gewesen. Da es keine Straße gibt, müssen wir mit dem Auto außen herum fahren, das ist etwa die zehnfache Entfernung. Die Abbildung zeigt das Ende der Straße - man sieht auf dem großen Bild vielleicht etwas mehr.

Naja, ganz bis Arnisdale wollten wir gar nicht, aber immerhin nach Glenelg, die "Brochs" ansehen. Und wirklich dauerte es rund zweieinhalb Stunden, bis wir da waren - der Weg nach Glenelg ist auch nur einspurig und führte noch dazu über einen nebligen Paß. Die "Brochs" sind rund 2.000 Jahre alte Festungstürme mit ziemlich dicken Wänden; auf Galerien im Innern der Türme konnten bis zu 100 Personen hausen (davon wurde aber nur in Notzeiten Gebrauch gemacht, normalerweise lebte man in Zelten außenherum).

Nach oben sind die Brochs offen, um Licht herein- und Rauch von der Feuerstelle herauszulassen. Das Interessanteste an den Brochs ist, daß heute niemand weiß, gegen welche Gefahr sie dereinst aufgestellt wurden - es muß eine bedeutende gewesen sein, denn insbesondere im Nordosten des Landes finden sich über 200 solcher Bauwerke.

Ein Leser schrieb mir im Mai 2000:

Wir sind im Juli 1999 auch über den Paß zu den Brochs of Glenelg gefahren, wobei wir auf der Hin- und Rückfahrt jeweils einem radfahrenden Pärchen begegneten, welches sich die Serpentinen hochquälte, da ist man schon froh in einem Auto zu sitzen. Die Strecke ist, obwohl sie einen 30km-Abstecher bedeutet und man die gleiche Strecke wieder zurückfahren muß, neben der Küstenstraße nach Applecross die interessanteste, die wir in Schottland gefahren sind. Die Brochs und das einsame Tal sind ebenfalls sehr eindrucksvoll. Wir sind auch noch an den Brochs vorbeigefahren, bis die Straße am Gatter einer Farm endete. Die Leute dort leben schon sehr abgeschieden.

Logbuch-Eintrag 3.4., 22:30, im Bett

Der Rückweg führte unweigerlich über die gleiche beschwerliche Straße. Später kamen wir noch am Eilean Donan Castle vorbei, das von vielen als "das Bilderbuchschloß" gerühmt wird - wir fanden es nicht so toll. (Im Juni 1996 war ich dann mal drin; man hat von dort eine hübsche Aussicht, es gibt ein paar Räme zu besichtigen, und eine kleine Ausstellung beschreibt ganz nett die Geschichte der Region.) Rund drei Meilen vor Kyle of Lochalsh bogen wir in einen kleinen Ort namens Balmacara Square ab, wo wir für zehn Pfund eine etwas gespenstische Unterkunft fanden; die übergewichtige Hausherrin besaß wohl keinen Kehlkopf mehr und mußte beim Sprechen immer einen Finger auf ein Plastikloch in ihrem Hals halten - so geht es den Rauchern halt. Kinder hätten sich vor der sonoren, schnaufenden Stimme bestimmt gefürchtet.

Den Abend verbrachten wir friedlich in unserem Dreierzimmer, karten- und tagebuchschreibend, planten noch ein wenig die Überfahrt auf die Insel Skye und gingen früh ins Bett.


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  Frederik Ramm, 2011-12-02