Neunter Tag: Dienstag, 5.4.95

Logbucheintrag vom 5.4., 22:30, im Bett

Heute machten wir uns nach dem guten (naja, Ela war es wieder zuviel Rührei, und Claudia war die Orangenmarmelade zu süß) Frühstück zum Dunvegan Castle (großes Bild hier) auf, bezahlten horrende £ 3.60 pro Nase (Studentenermäßigung eingerechnet!) und durften dafür diejenige unter Schottlands Burganlagen besichtigen, die als einzige immer noch in der Hand der Erbauer ist. Dunvegan Castle ist heute noch immer Stammsitz der MacLeods; der etwa neunundzwanzigste Clanchef hat auch das Video produziert, das wir uns (wieder alleine) ansehen durften. Ganz nett die Ausstellungsgegenstände, aber nicht großartig anders als das, was man hierzulande in Schlössern und auf Burgen zu sehen gewohnt ist. Kein Wunder übrigens, daß die MacLeods mit diesem Bauwerk so gut über die Runden kamen; nicht nur war es früher ausschließlich über das Meer zugänglich, nein, sie haben sich auch nach einer anfänglichen Niederlage im Kampf für die Stewarts weitgehend aus jenen Streitereien herausgehalten, mit denen die anderen Clans ihre Existenz gefährdeten (Stichwort: "Bonnie Prince Charlie").

Wieder auf dem Parkplatz, mußten wir feststellen, daß neben uns drei deutsche Autos parkten, und wir hatten das Gefühl, es sei höchste Zeit zu fliehen.

Wir haben uns übrigens entschieden, nicht auf die Äußeren Hebriden zu fahren. Auf diesen Inseln ist in vielerlei Hinsicht die Zeit stehengeblieben. Manches ist für den Touristen reizvoll (zum Beispiel wird dort häufig noch mit fast antikem Werkzeug gearbeitet, und der berühmte Harris-Tweed wird zumeist noch auf Handwebstühlen hergestellt), anderes auch befremdlich. Alle unsere Reiseführer zeichnen übereinstimmend das Bild eines tiefreligiösen Inselvolkes (Free Presbyterian Church of Scotland oder so); der Sonntag ist dort ein toter Tag. Die Leute bereiten das Sonntagsessen am Samstagabend zu und waschen das Sonntagsgeschirr am Montag ab; kein Laden, kein Restaurant, keine Tankstelle ist sonntags offen (denn auch der atheistischste Ladenbesitzer müßte um seine fromme Kundschaft fürchten). Keine Kinder spielen sonntags auf der Straße, keine Leute gehen spazieren, und wenn man an irgendeinem Tag eine Frau in Hosen sieht, muß es eine Touristin sein. Was macht man dann am Sonntag, außer Kirche? Sich den trüben Tag mit einem Gläschen Whisky vertreiben. Der Anteil der Alkoholkranken ist auf den Inseln viermal so hoch wie um übrigen Schottland. Nein danke - in so einer Umgebung kann ich mich nicht so gut erholen, ich gucke mir doch lieber alte Schlösser als Jesus, Maria und Josef am Wegesrand an.

(Die günstigste Gelegenheit zu einem Inselbesuch wäre gewesen, von Uig auf Skye nach Stornoway auf der Insel Lewis zu fahren und später von dort nach Ullapool. Beide Routen werden von der Caledonian MacBrayne bedient; die Kosten für ein Auto und drei Passagiere hätten etwas über £ 100.00 betragen.)

Logbucheintrag vom 6.5., 10:40, im Auto

Leider können wir die Straße nach Applecross wegen des schlechten Wetters nicht nehmen. Aber der Reihe nach: Einige der Deutschen begegneten uns noch mehrmals auf der Insel Skye; überhaupt gab es da mehr Touristen, als uns lieb war. Wir machten über die A850, A856, A855 die Route um das Nordende der Insel, stiegen kurz aus, um das Grabmal von Flora MacDonald (die - wer errät es - Charles Edward Stuart unterstützt hatte) und den Kilt Rock (auf dem Bild), einen angeblich wie ein gefalteter Kilt aussehenden Felsabhang, zu sehen.

Beides war wenig eindrucksvoll, und so war unser nächster Halt denn auch schon in der Inselhauptstadt Portree. Ein nettes kleines Städtchen, gibt sogar ein ruhmreiches vegetarisches Restaurant da ("Bistro"), leider macht es erst um 16:00 auf, und wir waren ein paar Stunden zu früh. Nach einem kleinen Stadtbummel (das erste Mal, das wir nicht sofort einen Parkplatz fanden!) beschlossen wir, die Insel wieder zu verlassen und in die ruhigeren Highlands zu fahren; binnen einer halben Stunde waren wir wieder auf der Fähre und fünf Minuten später in Kyle of Lochalsh.

(Nachtrag ein paar Jahre später: Restaurant besucht und dort gegessen - sehr klein, nett, beschaulich, freundlich, empfehlenswert.)

Statt auf den Hauptstraßen A87/A890 nach Norden zu fahren, wählten wir die schon als "Tourist Route" ausgeschilderte schmale Straße über Plockton nach Stromeferry; die Preisvorstellungen der B&B- Unterkünfte in Plockton deckten sich jedoch nicht mit unseren, und die fünf Häuser des Ortes Stromeferry (Schild-Untertitel "No Ferry at Stromeferry!") waren leider abgebrannt.

Wir fuhren weiter um das Loch Carron herum und fanden im gleichnamigen Ort eine uns genehme Unterkunft. Naja, eigentlich wollten wir noch ein bißchen weitersuchen, ob wir etwas Preiswerteres finden, aber die Frau hat uns ziemlich überrannt und uns nach unseren Frühstückswünschen, unserem Woher und Wohin ausgefragt, bevor wir überhaupt zugesagt hatten - was solls, wir holten unser Gepäck rein und machten uns Tee..


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  Frederik Ramm, 2001-05-15