Ich habe darauf verzichtet, die einzelnen Kapitel des ca. 15seitigen Werkes auf eigene HTML-Seiten zu setzen, so daß es sich leicht herunterladen und ausdrucken läßt.
Auf der Webseite http://www.lateinforum.de/romfra.htm gibt es eine ganze Menge weiterer Informationen zum Thema.
Der Historiker, der sich vor die Aufgabe gestellt sieht, zu berichten, wie das Leben einer "ganz normalen Römerin" damals aussah, hat es wahrlich nicht leicht. Weibliche Autoren gab es kaum, und von den wenigen Büchern, die von Frauen verfaßt wurden, ist kein einziges erhalten.
Wir sind also auf die Dichtungen von Männern wie Ovid, Horaz, Properz und Catull angewiesen, auf die ironischen Berichte von Martial, Juvenal und Lukian, um einmal einige zu nennen. Insbesondere Ovid beschäftigte sich in seinem mehrbändigen Werk "ars amandi" (die Kunst zu lieben) ausführlich mit dem anderen Geschlecht (wir werden später darauf zurückkommen).
"Es wollte mir nicht gelingen," schreibt Dacre Balsdon in seinem Vorwort, "einen entsprechenden Plan für den Umgang mit dem Stoff ausautüfteln." Damit will er sich für den Zerfall seines Buches in zwei Einzelteile entschuldigen. In der Tat ist das Buch nicht sehr übersichtlich strukturiert; zahlreiche Querverweise und Sprünge in der Geschichte legen dem Verständnis des Lesers Steine in den Weg. Trotzdem ist allein das Zusammentragen von Material aus Dutzenden von Büchern verschiedenster Sprachen eine nicht zu unterschätzende Leistung.
I. Der Alltag
Was bestimmte also den Alltag einer "Durchschnittsrömerin"?
Was waren ihre Pflichten, hatte sie Freizeit, und falls ja, wofür
verwandte sie diese?
Nun, eine verheiratete Frau verließ gewöhnlich das Haus nur, wenn sie einkaufen mußte, wenn sie baden gehen wollte, um Verwandten oder Bekannten Besuche abzustatten und um im Tempel den Göttern zu huldigen. Gelegentlich nahm sie an öffentlichen Veranstaltungen teil oder wurde von ihrem Ehemann zu Banketten mitgenommen. Bisweilen kam es auch vor, daß eine Frau von ihrem Mann mit zum jeweiligen Patron geschleppt wurde, um so etwas mehr Geld aus ihm herauszuholen.
Das Fahren in Wagen war den Frauen in Rom verboten; wollten oder konnten sie nicht zu Fuß gehen, so standen Tragsessel oder Sänfte als Transportmittel zur Auswahl. Ein Tragessel empfahl sich für die kurzen Entfernungen, bei längeren Distanzen bevorzugte man die Sänfte, die, wollte man up to date sein, von acht bithynischen Sklaven getragen wurde. Aber selbst die Benutzung einer Sänfte unterlag verschiedenen Bestimmungen; unter Caesar durften nur Damen, die ein gewisses Alter überschritten hatten, die Sänfte benutzen, und auch das nur zu bestimmten Stunden.
Tanz und Gesang galten als obszön (ganz im Gegensatz zu der Situation bei den Griechen, die solche Tugenden pflegten). Aus Sicht des Horaz waren Tanzen und Putzsucht (nicht im Sinne von "die Küche putzen", sondern im Sinne von "sich herausputzen"!) die Vorstufen der Prostitution. In der Tat waren die Tänze, die dann auch meist von Prostituierten vorgetragen wurden, am ehesten mit dem zu vergleichen, was einem heutzutage in Night-Clubs geboten wird. Die Tänzerinnen pflegten häufig nur Bikinis zu tragen. Favorit und Evergreen war die "Ehebruchs-Szene" - der Leser mag sich darunter vorstellen, was immer ihm beliebt.
Im Laufe der Zeit lockerte sich allerdings diese Auffassung, und Knaben wie Mädchen lernten während der späten Kaiserzeit oft schon in großen Tanzschulen einige Tänze.
Während der Zeit der Republik wurde auch die toga von Frauen getragen; eigentlich Kleidungsstück für Männer und Jungen, galt sie in der frühen Kaiserzeit bei den Frauen als Kleidung der Dirnen.
Als Unterwäsche dienten ein Busenband (fascia oder strophium) sowie ein hemdartiger, ärmelloser Hänger (intusium).
Auf den ersten Blick mag es scheinen, als seien die Römerinnen nicht einer so flüchtigen Erscheinung wie der Mode unterlegen gewesen, denn an Skulpturen, deren Entstehungsdaten bis zu dreihundert Jahren auseinanderliegen, kann man bezüglich der Kleidung kaum Unterschiede erkennen. In der Tat haben sich vermutlich Schnitt und Form der stola kaum geändert, vielmehr jedoch Struktur und Farbe der verwendeten Stoffe.
Was die Farben anbetrifft, so scheinen dunkles Rosa und andere Töne zwischen Rot und Blau (Purpur, Violett) als besonders apart empfunden worden zu sein.
Einige Frauen pflegten es, sich mit verschiedenen Tinkturen das Haar rötlich oder golden zu färben; Properz bedachte die beklagenswerte Verirrung der Cynthia, die sich ihr Haar blau gefärbt hatte, mit einem Gedicht. Die Farbe der Britannier, so schreibt er, sei entehrend für ein römisches Gesicht, und außerdem keine Verschönerung für Cynthias Haar.
Was dir Frisur anbetrifft, so wurde Mode in der Kaiserzeit stets von den Frauen des Hofes bestimmt, und meist gingen die Römerinnen mit derselben. Eine Ausnahme machten die Mädchen und jungen Frauen, die sich ab und zu noch zu Experimenten hinreißen ließen.
Die Vestalinnen, die hier später noch behandelt werden sollen, trugen ihr Haar zu einem riesenhaften Kegel (tutulus) aufgetürmt; da es nützliche Utensilien wie Gel oder Haarfestiger damals noch nicht zu kaufen gab, wurde diese extravagante Frisur durch kleine Wollbänder (vittae) zusammengehalten. Mit der Zeit fanden auch andere Gefallen an diesen Bändern und banden sie sich ins Haar; aus solchen Haarbändern entstand schließlich auch das Diadem.
Gängige Frisuren waren einerseits die in der Mitte gescheitelte, bei der die zwei Haarhälften um den Kopf herumgeführt und im Nacken zu einem Knoten gesteckt wurden, und andrerseits die doppelt gescheitelte (nach Augustus' Schwester "Octavia-Frisur" genannt), bei der die mittlere Haarpartie zusätzlich nach vorn gekämmt und über der Stirn zu einer Tolle angehoben, dann nach hinten geführt und dort mit den Seitenpartien zu einem Knoten gesteckt wurde.
Natürlich gab es auch elegantere Variationen; einige Frauen ließen sich das Haar aufwendig in Locken legen (alle Frisierarbeiten wurden gewöhnlich von Sklavinnen erledigt) und dann auftürmen, so daß sie in der Körpergröße die 2m-Marke zu überschreiten schienen. Prächtige Diademe (stepháne) krönten den Aufbau. Von hinten allerdings, witzelt Juvenal, "kommt sie klein wie 'ne Zwergin dir vor".
Auch solche Lockenberge bestanden zuweilen nicht aus echtem Haar; wie weit Perücken verbreitet waren, ist nicht gesichert.
Ovid hingegen gibt im dritten Buch seiner "ars amandi" detaillierte Hinweise für Frauen, wie sie ihre Reize besser zur Geltung bringen könnten, und in seinem hundert Verse fassenden "medicamina faciel femineae" (Mittel der weiblichen Gesichtspflege) folgert er: "cura dabit faciem" (frei: Sorgfalt macht das Gesicht erst schön).
Die Grundierung für das Make-Up bildete oft eine am vorigen Abend auf das Gesicht aufgetragene, stark parfümierte Substanz, die aus dem Fett der Schafswolle gewonnen wurde. Juvenal behauptet boshaft, es sei der Ehemann gewesen, der nachts darunter zu leiden gehabt habe - nicht wegen des Geruchs, sondern weil er wußte, daß seine Frau am nächsten Tag ihren Liebhaber mit dem neuen Make-Up verführen wollte.
Lidschatten, Wimperntusche und Lippenstift waren den Frauen nicht fremd (Ovid beschreibt ausführlich Rezepte dafür). Auch Rouge und Kalkweiß als Puder waren üblich.
Die sechs Vestalinnen durften sich überhaupt nicht schminken; traf man eine Frau, deren Parfum man schon von fern riechen konnte und die über alle Maßen geschminkt war, so hatte man es vermutlich mit einer Prostituierten oder einer Kurtisane zu tun.
Die übliche Badezeit war zwischen zwei und drei Uhr nachmittags; man verweilte manchmal bis fünf Uhr im Bade. Das war natürlich nur die "Hauptbadezeit"; baden konnte man (fast) immer. Zwischen 17 und 18 Uhr begaben sich zum Beispiel bisweilen auch Gäste ins Bad, in der verzweifelten Hoffnung, wieder nüchtern zu werden.
In der Zeit der Republik waren die römischen Bäder abends und nachts geschlossen; außerhalb Roms und später auch in Rom zeigen Ausgrabungen von Lampen, daß die Öffnungszeiten wohl verlängert worden waren.
In seriösen Bädern waren die Geschlechter für gewöhnlich getrennt: entweder örtlich (zwei Bäder in einem Gebäudekomplex mit demselben Heizsystem) oder zeitlich (geregelte Benutzungszeiten für Männer und Frauen). Gab es für Frauen eigene Räumlichkeiten, waren diese meist weniger aufwendig ausgestattet als die der Männer.
Selten kam es vor, daß in einem seriösen Bad Männer und Frauen zusammen badeten; in Teanum Sidicinum war dies zum Beispiel der Fall, wie wir aus einer Rede des C. Gracchus erfahren können. Solche Bäder wurden auch als "Familienbäder" bezeichnet.
Die Männer trugen beim Baden gewöhnlich eine lederne Badehose (aluta); waren sie unter sich, badeten sie oft auch nackt. Die Frauen hatten entweder nur eine Art von Schlüpfer (subligar) oder einen Badeanzug (balnearis vestis) an.
Der Eintritt für ein öffentliches Bad kostete den Mann ein quadrans, die Frau das Doppelte. (Ein quadrans war ein Viertel eines Asses; ein Ass (oder As) war anfangs 80 Euro-Cent, später nur noch etwa 2 Euro-Cent wert.)
Der übliche "Waschgang" ging folgendermaßen vor sich: Nachdem man sich im apodyterium umgekleidet hatte, begab man sich in das tepidarium, einen lauwarmen Raum, in dem es Fächer für Kleider und Badetücher gab. Dann besuchte man das caldarium (der Name stammt von calor ab, und hat nicht etwa, wie mancher annehmen könnte, mit "kalt" etwas zu tun), in welchem es neben einem kleinen Becken zum Waschen der Hände und des Gesichts ein Heißwasserbad gab. Danach führte der Weg den Badenden wieder durch das tepidarium geradewegs ins frigidarium, wo er einen Sprung ins kalte Wasser wagen konnte.
Natürlich gab es zahlreiche Abwandlungen, so zum Beispiel fand sich in manchen Bädern noch eine sudatio, eine Schwitzkammer, und - das allerdings seltsamerweise nur für Herren - eine Heißluftkammer (laconicum). Außerdem waren für die Frauen oft noch Schönheitssalons vorhanden, und die Männer konnten sich in der palaestra ausstrecken oder Körperübungen unter freiem Himmel treiben. (Palaestra bedeutet eigentlich "Ringplatz"; hier ist einfach eine Art Park gemeint - und nicht etwa die Übersetzung, die Langenscheidt hinter den Kürzel "scherzh." anbietet ...)
In fragwürdigen Etablissements, die dann nur Männern zugänglich waren, hielten sich Gespielinnen für die Badenden bereit, und es wurde gewöhnlich nackt gebadet. Diese Art der Bordelle wurde zwar im zweiten und dritten Jahrhundert von den damaligen Kaisern verboten, jedoch zeigte dieses Verbot kaum Wirkung. (Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich alle Zeitangaben auf die Zeit nach dem Jahre 0.) Vielmehr erhöhte sich ihr Reiz dadurch noch.
Um zu zeigen, daß sich für die Frau aber doch inzwischen vieles verändert hat, sollten wir uns einmal die Rechtslage von damals vor Augen führen.
Die Frau zählte nicht als juristische Person. Infolgedessen konnte sie weder vor Gericht als Geschworene auftreten noch sich in irgendeiner Weise offiziell an der Regierung beteiligen. (Es steht außer Frage, daß inoffiziell Frauen oft große politische Macht hatten; wir kommen später darauf zurück.) Außerdem konnten Frauen keine Güter besitzen (siehe aber Augusteische Gesetze).
Als Mädchen war die Frau abhängig vom Vater; er konnte über Freud und Leid bestimmen, er konnte sie verloben und vermählen, wann und mit wem er wollte. Mit der Heirat tauschte die Frau dann die Abhängigkeit vom Vater durch die Abhängigkeit vom Ehemann aus. Starben Vater oder Ehemann, wurde ein tutor bestimmt, der dann deren Funktionen übernahm.
Im Normalfall konnte sich eine Frau selbstverständlich nicht von ihrem Mann scheiden lassen; mit der Einführung der freien Ehe änderte sich das.
Wenn eine Frau ihren Mann beim Ehebruch ertappte, konnte sie nichts dagegen unternehmen, ihn noch nicht einmal vor Gericht bringen, geschweige denn die Scheidung einreichen. Ein Mann hingegen, der seine Frau mit einem Liebhaber erwischte, durfte beide ungestraft erschlagen (mit der neuen Ehe- und Sittengesetzgebung des Augustus änderte sich dies aber zu Gunsten der Frauen).
Ein amüsantes Beispiel dafür, daß nach der Meinung einer Frau damals wohl nicht gefragt wurde, ist die folgende Geschichte:
In Quintus Hortensius, einem Mann von über sechzig Jahren, erwachte der Wunsch, seine Familie mit der Catos des Jüngeren zu vermischen. Er bat also Cato um die Hand seiner Tochter. Cato verwehrte ihm dies mit der Begründung, sie sei glücklich verheiratet. Daraufhin fragte Hortensius, ob er denn wenigstens Marcia, Catos Ehefrau, haben dürfe. "Wenn ihr Vater keine Einwände hat ... " meinte Cato, und Marcus Philippus hatte keine. So wurde Marcia von Cato geschieden und mit Hortensius verheiratet.Trotz der Tatsache, daß sie fast ohne Rechte war, spielte die Frau gesellschaftlich natürlich eine wichtige Rolle. Bei Festen zum Beispiel hatte sie das Essen zusammenzustellen (das Kochen wurde indes von Sklavinnen besorgt) und lieferte einen meist gern gehörten Redebeitrag zur Konversation.Diesem gebar sie allerdings keine Kinder, und bald starb er unnverrichteter Dinge. Also kehrte Marcia wieder zu ihrem Cato zurück und mit ihr auch das Erbe des reichen Hortensius.
Interessant ist auch, daß nur in den allerärmsten Schichten vorkam,
was heute eigentlich üblich ist: daß die Frau selbst die Betten
richtete, Essen kochte und das Haus sauber hielt.
II. Die Ehe
Die Formalitäten wurden vom künftigen Ehemann (oder seinem Vater oder Erzieher) und dem Vater oder tutor des Mädchens erledigt; ein Verlöbnis war in der Frühzeit beiderseits einklagbar (beide Parteien konnten bei Nichteinhaltung des Heiratsversprechens vor Gericht ziehen). Gegen Ende der Republik galt das Verlöbnis nur noch als formloses Heiratsversprechen, das keine rechtliche Grundlage mehr hatte. Mit der Formel "condicione tua non utor" ("Ich gebrauche Dein (Heirats-) Versprechen nicht") konnte das Versprechen jederzeit von jeder der Parteien widerrufen werden.
Üblicherweise (seit dem 4. Jahrhundert Gesetz) machte der zukünftige Ehemann vor der Heirat seiner Auserwählten noch ein wertvolles Geschenk (die donatio ante nuptias). Es konnte bei Auflösung der Verlobung zurückverlangt werden und wurde bei der Heirat ohnehin zusammen mit der Mitgift zurückerstattet. Zwischen Verheirateten war es lange Zeit verboten, wertvolle Geschenke auszutauschen. (Welchen Zweck dieses Verbot, das vom Prinzipat Augustus' bis zu dem Caracallas reichte, hatte, ist ungewiß.)
Die erste Möglichkeit war die coemptio, bei der - ein Relikt aus noch älteren Zeiten - vor fünf Zeugen die Braut symbolisch für ein As gekauft wurde. Die zweite erfolgte einfach durch Kohabitation (Beischlaf); der Bräutigam mußte jedoch zuvor eine Rede halten, in der er die bevorstehende Heirat klar von einem Konkubinat abgrenzte. Bei dieser Heiratsform erhielt der Mann die Allgewalt über seine Frau erst nach einem Jahr ununterbrochenen Zusammenlebens, und was einigen Lesern nun sofort durch den Kopf geschossen sein mag, hatten die Frauen auch schon im fünften Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Sie trennten sich einfach einmal im Jahr für drei Tage von ihrem Mann.
Die dritte war die aufwendigste Prozedur. Nach ihr mußten die Inhaber der vier höchsten Priesterämter heiraten, und auch deren Eltern mußten so geheiratet haben. (Flamen Dialis, Flamen Martialis, Flamen Quirinalis und Rex Sacrorum waren die vier höchsten Priesterämter - der Pontifex Maximus zählte nicht dazu; er konnte heiraten wen, wie und sooft er wollte.) Es war dies die confarreatio, bei der die zu Verheiratenden nebeneinander auf Stühle gesetzt wurden, auf denen ein Vlies lag, neben mindestens 10 Zeugen mußten auch der Flamen Dialis und der Pontifex Maximus zugegen sein. Dabei wurden ein Schaf, Früchte, Opferschrot und Brot aus Weizenspelt geopfert. Einen Kuchen aus Weizenspelt teilten sich die beiden zukünftigen Ehepartner.
Schon im dritten Jahrhundert v. Chr. lehnten sich jedoch immer mehr Frauen gegen diese Eheformen auf, die sie zum Spielzeug in den Händen ihres Mannes werden ließen. So wurde die freie Ehe eingeführt, bei der die Frau weiterhin der väterlichen Gewalt unterstellt blieb. Eine Scheidung war in diesem Fall auch seitens der Frau möglich.
Zwischen engen Verwandten war eine Heirat bei Todesstrafe verboten (incestum); ebenso durften Römer keine Ausländer oder Sklaven heiraten. (Die Definition von "enge Verwandte" wurde jedoch in Lauf der Jahre immer knapper; während in der Frühzeit noch die Heirat zwischen einem Vetter und seiner Kusine zweiten Grades strafbar war, konnten 200 v. Chr. schon Geschwisterkinder heiraten.) Die lex julia bestimmte, daß Senatoren und ihre Nachkommen bis ins dritte Glied keine Freigelassenen heiraten durften.
Wer glaubt, eine Heirat sei an jedem Tage möglich gewesen, der irrt gewaltig. Die Zahl der das Hochzeitsdatum betreffenden Einschränkungen ist so hoch, daß es fast leichter wäre, die Tage zu nennen, an denen eine Heirat möglich war. Nicht heiraten sollte man im März und im Mai, in der ersten Junihälfte, vom 18. bis zum 21. Februar, keinesfalls am 24. August, am 5. Oktober oder am 8. November, auch nicht an den Kalenden, Nonen oder Iden jedes Monats. Für jedes dieser gemiedenen Dati gibt es eine einzelne Erklärung; man wird mir verzeihen, wenn ich dieselben mir hier erspare.
Außerdem wurden Ersthochzeiten an Feiertagen vermieden. Dies hatte einen ganz weltlichen Grund: Die Hochzeitsgäste erschienen dann nur spärlich, und man wollte ja schließlich diesen Tag mit viel Glanz und Glorie begehen, wozu viele Gäste unentbehrlich waren.
Am Hochzeitstag schließlich mußte eine Anzahl von Bräuchen beachtet werden, und vergaß man nur einen, war die Ehe so gut wie gescheitert (das pflegten zumindest Schwiegermütter und ähnliche unbequeme Zeitgenossen zu unken - Es ist in der Tat erwiesen, daß in alten Rom die Person, mit der an meisten in Haus gestritten wurde, die Schwiegermutter war. Sie wollte, lebte sie noch in Haus, die neue Hausherrin nie allein entscheiden lassen.)
Nachdem die Braut ihr Kinderspielzeug den Göttern geweiht hatte, wurde sie zurechtgemacht. Sie erhielt eine Frisur, die der der Vestalinnen glich (tutulus, s. o.), wobei das Haar unbedingt mit einer gebogenen, eisernen Speerspitze gescheitelt werden mußte. War mit dieser Spitze einst ein Gladiator getötet worden, galt sie als besonders wirksam gegen böse Geister.
Das Hochzeitskleid war eine tunica aus feinem weißen Flanell und wurde, wie auch bei uns, nach der Hochzeit üblicherweise nie mehr getragen.
Am Abend des Hochzeitstages, wenn die Zeremonie vorüber, der Vertrag unterzeichnet und das Hochzeitsfrühstück verspeist war, entriß der Bräutigam seine Braut formell den Armen ihrer Mutter, und sie wurde von Freunden und Familienangehörigen im Brautzug zum neuen Heim geleitet. Dabei riefen die Beteiligten, ähnlich wie wir heute bei einem Faschingsumzug "Helau", von Zeit zu Zeit "talassio" aus, vermutlich ohne überhaupt zu wissen, daß dieser Ruf aus der Geschichte vom Raub der Sabinerinnen entstanden war.
Ein Mann, der für seinen Patron Talassius damals eine besonders schöne Braut geraubt hatte, rief, mit ihr durch die Menge laufend, immer wieder "talassio", "für Talassius", damit niemand sie ihm entrisse.
Diese Prozession, die domum deductio, war von außerordentlicher Wichtigkeit. Selbst wenn der Bräutigam nicht anwesend war (das war in Ausnahmefällen möglich), wurde sie durchgeführt. Nachdem das Ehepaar einigen weiteren Bräuchen nachgekommen war, wurde die Frau dann in das Schlafgemach geleitet und dort von anderen Frauen, die nur einmal verheiratet gewesen sein durften, entkleidet, während die anderen außerhalb das Hochzeitslied (epithalamium) anstimmten. Dann erst durfte auch der Bräutigam ins Bett, und die Gäste hatten ihre Pflicht getan. (Für einige Menschen war es wirklich Pflicht, an einer Hochzeitsfeier teilzunehmen, so zum Beispiel für die Klienten eines Patrons, wenn dieser heiratete.) Am nächsten Morgen nahm die junge Frau, nunmehr eine matrona (Hausfrau), zum ersten Mal ihre häuslichen Pflichten wahr.
Bei der Heirat erhielt die Frau nicht nur eine Aussteuer, sondern sie mußte auch eine Mitgift zahlen. Diese wurde von Brautvater und Bräutigam (oder dessen Vater) vor der Hochzeit ausgehandelt und mußte in den drei Jahren nach der Hochzeit zu gleichen Teilen ausgezahlt werden. Besonders Reiche konnten es sich leisten, die Mitgift auf einmal auszuzahlen (eine Mitgift konnte bis um 50 Talente betragen, das sind etwa 125.000 Euro); Cicero (An alle Lateinschüler: Ja, genau der!) bekam mit der Mitgift einige Schwierigkeiten, als er seine Tochter Tullia mit Dolabella verheiratete. Die Hochzeit fand 50 v. Chr. statt, und so wurden die Raten am 1. Juli 49, 48 und 47 fällig. Jedesmal schrieb Cicero verzweifelt an seinen Bankhalter Atticus, woher nur das Geld zu nehmen sei, und 47 überlegte er gar, das Geld zu sparen, indem er seine Tochter wieder scheiden ließ (damit wären die schon gezahlten Raten verfallen).
Eine Alternative zur Ehe war in gewissem Sinne das Konkubinat; bei der Schließung eines solchen waren kaum Formalitäten und keinerlei Geschenke (Mitgift etc.) notwendig, es wurde auch nicht gefeiert, obwohl sich die Konkubine in der Praxis kaum von einer rechtmäßigen Ehefrau unterschied. Die Auflösung eines Konkubinats war ebenso einfach, so daß es eigentlich nur ein Zusammenleben darstellte. Viele Männer zogen es vor, sich, nachdem die erste Ehefrau gestorben oder geschieden war, nur noch eine Konkubine zu nehmen.
Gordian II. trieb das Konkubinat im dritten Jahrhundert allerdings ins negative - er hatte gleichzeitig 22 Konkubinen, und jede gebar ihm drei oder vier Kinder.
Ab der Mitte des ersten Jahrhunderts durften auch Sklaven untereinander heiraten; diese Ehe (contubernium) war zwar eigentlich nur ein Zusammenleben ohne Rechtsgrundlage, aber trotzdem bildete sich im Laufe der Zeit ein vollkommenes Familienleben unter den Sklaven aus (natürlich war das nur möglich, wenn sie demselben Herrn gehörten).
Im Jahre 131 v. Chr. stand Rom vor einem ähnlichen Problem. Die Männer hielten es für praktischer, Kurtisanen auszuhalten, die ehrbare Töchter meist an Charme und Lebendigkeit übertrafen. So sank die Zahl der Eheschließungen und somit auch die der legalen Kinder. Der Censor Quintus Metellus Macedonius sah sich genötigt, etwas zu unternehmen, und hielt eine Rede über das "Lob der Ehe".
Augustus schließlich versuchte durch seine umfassende Ehe- und Sittengesetzgebung, das Problem endgültig zu lösen.
Er verankerte gesetzlich, daß Männer von 25 bis 60 und Frauen von 20 bis 50 Jahren verheiratet sein mußten; andernfalls waren Bußgelder zu entrichten. (Nach Scheidung oder Tod des Ehegatten gabe es eine kurze "Schonfrist".) Ab einer Kinderzahl von 3 (außerhalb Roms: 4, außerhalb Italiens: 5) winkten zusätzliche Vergünstigungen. Die Männer durften dann damit rechnen, schneller befördert zu werden, sofern sie im öffentlichen Dienst standen, während die Frau nun selbständig ihren Besitz verwalten durfte und juristisch unabhängig war. Es gab noch einige weitere Privilegien für kinderreiche Familien, sie alle wurden unter der Bezeichnung "Dreikinderrecht" zusammengefaßt. Manchmal trieb dieses Belohnungssystem auch seltsame Blüten: Domitian verlieh Lukian, der unverheiratet war (Wie konnte es anders sein nach allem, was wir bisher aus seiner Feder gelesen haben?), dieses Privileg ehrenhalber.
Außer diesem Bestrafungs- und Belohnungssystem zur
Bevölkerungssteigerung enthielten die Augusteischen Gesetze, die 19
und 18 vor Christus erlassen wurden, auch noch Bestimmungen, die den
Ehebruch einschränken sollten. Zwar durfte der Ehemann die Frau nun
nicht mehr im Ernstfall erschlagen, doch wurden andere Strafen für sie
vorgesehen; gewöhnlich wurden Frau und Liebhaber auf zwei verschiedene
Inseln verbannt. Außerdem konnte auch der Ehemann, da er seine
Aufsichtspflicht verletzt hatte, bei Ehebruch seiner Frau bestraft
werden.
III. Frauen in ungewöhnlichen Rollen
Natürlich gab es Frauen, die sich vom Gros abhoben. So zum Beispiel
die Dirnen und Kurtisanen (von sozial niedrigerem Rang), aber auch
höhergestellte Persönlichkeiten, wie zum Beispiel die Vestalinnen.
Alle Prostituierten (lupae, scorta, meretrices) waren polizeilich, d.h. bei den Aedilen, die auch die Oberaufsicht über die Bordelle führten, registriert. (Übrigens heißt es in der Gründungsgeschichte Roms: Romulus und Remus waren Söhne einer Wölfin. Möglicherweise ein gewagtes Wortspiel - eine Wölfin hieß ebenfalls lupa.) Manchmal wurde diese Registrierung allerdings auch von gewöhnlichen Frauen mißbraucht; sie ließen sich dort als Prostituierte eintragen und konnten so Ehebruch begehen, ohne daß sie oder ihr Liebhaber oder Ehemann nach den Augusteischen Gesetzen bestraft werden konnten. Daß dies ohne Wissen des Ehemanns geschah, war allerdings selten. (Tiberius verschärfte die Gesetze, so daß das nicht mehr möglich war.)
Die Prostituierten pflegten sich übermäßig zu schminken und zu parfümieren; sie trugen meist eine Toga in grellen Farben. Seit C. Caligula mußten sie eine nach ihrem Einkommen bemessene Steuer an den Staat entrichten. Für ein Schäferstündchen waren zwei bis achtzehn Asse als Honorar fällig.
Die Bordelle in Rom durften nicht vor drei Uhr am Nachmittag ihre Pforten öffnen; es gab verschiedene Formen von Bordellen, so z. B. waren manche an Bäder, andere an Frisiersalons angegliedert. Daneben existierten auch selbständige Prostituierte, die sich ihre Kunden auf den Straßen (vor allem der Via Sacra), beim Circus Maximus oder in zwielichtigen Stadtvierteln suchten, um sie dann in irgendein Hotelzimmer zu dirigieren.
Im von der Lava des Vesuvs begrabenen Pompeji gab es ein Bordell, dessen einzelne Räume ungefähr 6x2m groß waren und je ein Bett von zwei Metern im Quadrat hatten. Die Räume waren schlecht beleuchtet und meist stickig und übelriechend. An der Wand sollen sich Fresken befunden haben - "obszönere Darstellungen kann man sich kaum vorstellen" meint Balsdon; ich selbst habe sie leider nicht gesehen.
Es war für junge Römer ein selbstverständlicher Teil der Erziehung, einmal ein solches Bordell zu besuchen, und man fand nichts dabei. Cato der Ältere sagte, als er einmal einen Jungen aus einem solchen Haus kommen sah: "Recht so." Als sich dieses jedoch häufig wiederholte, meinte er: "Als ich 'Recht so' sagte, meinte ich nicht, daß du dich hier zu Hause fühlen sollst!"
Cato der Ältere war es übrigens auch, der erkannte, daß Sklaven auch nur Menschen sind und ihnen deshalb auf seinen Landgütern eigene Bordelle einrichten ließ.
Spätestens jetzt drängt sich die heikle Frage nach Empfängnisverhütung und Abtreibung im alten Rom auf, und ebenso heikel ist die Antwort darauf. Es sind keine diesbezüglichen Mittel bekannt, und auch Ovid beschreibt in seinem Leitfaden für Kurtisanen (ars amandi, bes. drittes Buch) keinerlei Verhütungsmethoden. Also ist anzunehmen, daß es so etwas nicht gab. Erst Ende des vierten Jahrhunderts wurde das Aussetzen von Kindern verboten - vermutlich war dies zuvor eine vielgenutze Möglichkeit, sich ungewollter Nachkommen zu entledigen.
Ohnehin war die Kindersterblichkeit sehr hoch; von den mindestens 12 Kindern des Marc Aurel überlebten nur fünf ihren Vater, und das war keine Seltenheit.
Abtreibung war zwar damals schon möglich, aber mit vielen Risiken verbunden. Die Überlebenschance für die abtreibende Frau dürfte wohl fünfzig zu fünfzig betragen haben.
Geschlechtskrankheiten (da wir gerade bei dem Thema sind) gab es kaum; Der jüngere Plinius erzählt in einem Brief vom Selbstmord eines jungen Ehepaares (nach Ansicht heutiger Fachleute) aufgrund einer Syphilis; sonst erfahren wir nirgends von solchen Dingen.
Eine Kurtisane lebte häufig mit Schwester und Mutter unter einem Dach, wobei diese nicht selten von den Einnahmen profitierten. Zuweilen kam es auch vor, daß der Liebhaber ihr eine Wohnung bezahlte, meist war dann auch ein Sklave zur Bedienung und Überwachung inbegriffen.
Dieser Beruf wurde meist von freien Römerinnen oder Freigelassenen ausgeführt; das größte Unglück für eine Kurtisane war, wenn sie sich in ihren Freier aufrichtig verliebte. Denn es war finanziell gesehen am besten, wenn der Liebhaber dauernd Angst haben mußte, ein Finanzkräftigerer könne ihm seine Geliebte wegschnappen. So kam es denn häufig vor, daß sich junge Römer nicht wegen einer politischen Karriere, sondern wegen eines Mädchens in Schulden stürzten.
Ovid warnt gesittete Hausfrauen (matronae) davor, seine ars amandi zu lesen. Täten sie es doch, seien sie selbst daran schuld, schreibt er. Und dann legt er los: Eine Kurtisane sollte sich, wollte sie Erfolg haben, gut die Zähne putzen (das Zähneputzen war damals überhaupt nicht üblich); sie sollte sich möglichst oft und lange auf der Straße zeigen. Liebesbriefe sollte sie beantworten, aber besser zu spät als zu früh. Ihren Liebhaber sollte sie necken und mit Maßen quälen. Außerdem schlägt Ovid seinen Leserinnen plausible Entschuldigungen vor, die sie vorbringen konnten, wenn sie einmal den Liebhaber versetzt hatten; "religiöse Pflichten, die zu erfüllen waren" oder das Besuchen einer kranken Freundin waren die Favoriten. Ja, er gibt sogar das Rezept für ein Schlafpulver an, mit dem man sich eines Liebhabers entledigen konnte, der einem auf die Nerven fiel.
Es steht außer Frage, daß fast jede der gesitteten Hausfrauen auch dieses Buch gelesen hat (heimlich natürlich), um zu wissen, welchen Tricks ihr Ehemann Widerstand zu leisten hatte, wollte er treu bleiben.
Die Vestalinnen hatten dafür zu sorgen, daß im Vesta-Tempel niemals das Feuer ausging; außerdem waren sie bei verschiedenen Festivitäten zugegen und führten Kulthandlungen aus. Auch wurden sie zuweilen gleich einem Orakel nach der Zukunft des Staates befragt.
Sie durften sich nicht oder nur in geringstem Maße schminken oder parfümieren und hatten ihre Jungfräulichkeit mindestens bis zum vierzigsten Lebensjahr zu bewahren. (Von da ab konnten sie wieder normale Frauen werden, aber die meisten vermieden das, denn sie hätten sowieso mit vierzig keinen Mann mehr gefunden.) Wurde diese Pflicht von einer Vestalin verletzt, so mußte sie bei lebendigem Leibe begraben werden. Diese Begräbnisse kamen zwar nur selten vor, doch wenn es der Fall war, herrschte in ganz Rom Staatstrauer, und jeder verhielt sich so, als sei seine eigene Tochter soeben gestorben.
Es gab natürlich auch einige Lichtblicke im Leben der Vestalinnen. So war zum Beispiel kein Eid notwendig (ebenso wie beim Flamen Dialis, dem Jupiterpriester), wenn sie vor Gericht aussagen wollten, sie erhielten (in der Kaiserzeit) bevorzugte Plätze bei Theater und ähnlichen Veranstaltungen. Begegneten sie einem zum Tode verurteilten auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte, so konnten sie das Urteil aus freien Stücken annullieren, wenn sie beteuerten, die Begegnung sei zufällig gewesen. Schließlich durften sie von Zeit zu Zeit an außerordentlichen Festessen teilnehmen. Dreißig Gänge waren keine Seltenheit, Austern und Spargel selbstverständlich inklusive.
Neben den Vestalinnen gab es natürlich auch andere im Kultdienst
beschäftigte Frauen, so zum Beispiel die Frauen der Inhaber der vier
höchsten Priesterämter, die dann automatisch Priesterinnen waren. Über
ihre Rechte und Pflichten ließ sich allerdings keine Information
auftreiben.
Nachwort
Eigentlich hätte dieser Text doppelt so lang sein sollen; es gibt noch
interessante Dinge, die ich nicht erwähnte. Aber weil das Referat in
seiner vorliegenden Form aus technischen Gründen innerhalb von zwei
Tagen erstellt werden mußte, blieb mir nicht mehr der Spielraum,
mich in endlosen Ausführungen zu verlieren.
Wer aber festgestellt hat, daß das Thema ihn interessiert, dem sei ans Herz gelegt, sich das Buch selbst einmal in seiner ganzen Komplexität zu Gemüte zu fuhren - es steht in der Schülerbücherei des Friedrich-Dessauer-Gymnasiums, im Handapparat. (Anmerkung 1998: Das nützt den Lesern im WWW natürlich wenig, aber der einschlägige Internet-Buchhandel hilft sicher auch.)
Dezember 1988 -- F. Ramm