Autofahren in Schottland

Autofahren in Schottland macht noch richtig Spaß. Meistens zumindest. Wenn man es geschickt anstellt, kriegt man am Tag nur so etwa 10 andere fahrende Autos zu Gesicht, und es kommen nicht alle fünf Minuten (wie daheim) irgendwelche Aggressionen auf. Hinzu kommt, daß es praktisch kein Tempolimit gibt, oder präziser formuliert, daß das existierende Tempolimit keine Restriktion darstellt. Hier in Deutschland ist es doch so, daß einem an jeder etwas schärferen Kurve vorgeschrieben wird, wie schnell man höchstens fahren darf, damit auch der letzte Depp es versteht. In Schottland darf man praktisch überall außerorts 60 (mph) fahren, aber der gesunde Menschenverstand schreibt einem meist niedrigere Geschwindigkeiten vor. Es passiert praktisch nie, daß man auf den Tacho schaut und denkt "oh, ich darf ja gar nicht so schnell".

Auf der "falschen" Seite

Man gewöhnt sich recht schnell daran, links zu fahren, besonders dann, wenn man ein britisches Auto hat. Am ehesten macht man es falsch, wenn man abbiegt oder entgegen der Fahrtrichtung geparkt hat und losfahren will. Oft spielt es aber kaum eine Rolle, wo man fährt, denn auf den meisten Straßen ist eh nur für ein Auto Platz:

Single Track Roads

Diesen schmalen Straßen (das Bild gibts auch in groß) kann man nicht entgehen, und eine Single Track Road ist zum Glück auch die Art, Straßen zu bauen, die die Landschaft am wenigsten verschandelt. Sie zu fahren, erfordert mehr als das übliche Maß an Gefühl für die eigene Wagenbreite, und mit einem Campingwagen kann man die meisten gleich vergessen. Sie sind kurvig, hügelig und nur ganz selten schneller als mit 40 (mph) befahrbar, da man immer die nächste Biegung oder Kuppe im Auge behalten muß.

Daher kann der Fahrer oder die Fahrerin auch nicht allzu intensiv den Blick durch die Landschaft schweifen lassen. Besonders interessant ist die soziale Komponente dabei. Nicht nur, daß man, wenn Gegenverkehr in Sicht ist, einen der "Passing Places" ansteuern und warten muß (wofür sich der andere dann stets mit Handzeichen und Lächeln bedankt) - es wird auch erwartet, daß man, wenn man im Rückspiegel jemanden erblickt, der offenbar schneller fahren will, ebenfalls einen Passing Place ansteuert und ihn überholen läßt. Im Gegensatz zum deutschen Durchschnittsfahrer fühlt sich ein Schotte nicht gekränkt, wenn man ihn überholt. Als Tourist, der die Straße nicht kennt, wird man allerdings selten in die Situation kommen, jemanden zu überholen.

Beim ersten Mal wird sich manch einer vielleicht über die affenartige Geschwindigkeit wundern, mit der sich Busse und Lastwagen auf den schmalen Straßen bewegen, aber das ist kein Wunder - aus dem erhöhten Führerhaus können die Chauffeure die Straße weit besser einsehen.

Wesentlich nervenaufreibender als die Single Track Roads sind übrigens jene Straßen, die "gerade so" breit genug für zwei Fahrzeuge sind - wenn einem da ein dicker LKW mit 50 Sachen in der Kurve begegnet, bekommt man ganz schön Muffensausen.

Schafe und andere Hindernisse

Hinter jeder Kurve - auf jeder Straße mit Ausnahme der Motorways, die es nördlich von Glasgow nicht gibt - können Schafe stehen; je nach Gegend auch Rinder, Wild oder Fasane, aber Schafe sind weit häufiger und laufen fast überall frei herum (ein Farbklecks kennzeichnet, wem sie gehören). Manchmal kraxeln die Tiere auch in so schwindelnden Höhen und an Abhängen herum, daß man sich wundert, warum sie nie abstürzen (oder Angst haben muß, daß einem von oben eins auf den Kopf fällt...)

Auf den Single Track Roads begegnet man des öfteren auch Wanderern oder einfach Fußgängern. Generell ist also Vorsicht angesagt; am besten, man stellt sich beim Fahren das Schaf richtig vor, wie es hinter der Biegung steht.

Zum Glück ist es uns kein einziges Mal passiert, daß neben der Fahrbahn stehende Schafe plötzlich auf dieselbe trabten - die Rasse mit dieser Angewohnheit ist wohl bereits ausgestorben.

Sonstige Verhaltensregeln

Licht
Während wir es gewohnt sind, schon oft vor Einburch der Dämmerung das Abblendlicht einzuschalten, ist das in Großbritannien absolut unüblich. Man fährt mit Standlicht, bis es richtig dunkel ist, und schaltet dann erst auf Abblendlicht.
Parken
Kein Problem, aber bloß nicht auf den Passing Places der Single Track Roads! In der Stadt ist Parken entgegen der Fahrtrichtung (bei uns verboten) durchaus normal. Zwei durchgezogene Streifen am Fahrbahnrand heißen Halteverbot, ein Streifen heißt Parkverbot (glaube ich).
Roundabouts
So nennen die Briten die Kreisverkehre, in denen grundsätzlich diejenigen Vorfahrt haben, die bereits drin sind. Oft gibt es zwei Spuren; beim Einfahren in den Roundabout blinkt man links, wenn man gleich zur nächsten Ausfahrt wieder raus will, und rechts, wenn man sich auf die innere Spur einordnen möchte. Etwas kompliziert sind die Achtförmigen Doppel-Roundabouts, aber Übung macht den Meister!

Kartenmaterial

Die besten Karten für Autofahrer sind wohl die "Ordnance Survey"-Karten aus der Serie "Travelmaster" (früher "Routemaster"). Der Maßstab ist 1:250.000, so reichen drei Karten, um ganz Schottland abzudecken (sogar zwei, wenn man auf die Inseln verzichtet). Touristen-Infos und Ortsnamen sind dabei; Berge, Flüsse, Lochs und Straßentypen sind ausreichend dokumentiert. In Schottland selbst sind diese Karten an jeder größeren Tankstelle für rund vier Pfund erhältlich.

Wer mehr Details will, kann sich auch mit Karten aus der OS-Serie "Landranger" (1:50.000, decken in ca. 50 Blättern ganz Schottland ab, lokal aber meist nur die 5-10 aus der Umgebung erhältlich) versorgen; für Wanderer eignet sich die "Pathfinder"-Serie, die im Maßstab 1:25.000 für weite Teile des Landes erhältlich ist.

Benzin

Während unseres Aufenthalts kostete der Liter bleifrei knapp 60 Pence (DM 1,40 damals). Verbleites Benzin und Diesel gibt es auch fast überall, und die Tankstellendichte ist ausreichend, so daß man sich auch ohne Reservekanister sicher fühlen kann.

Allerdings wird fast nirgendwo ein Unterschied zwischen Normal- und Superbenzin gemacht, es gibt halt nur eine Sorte.

Update April 2001: Benzin und Diesel kosten jetzt zwischen 80p (Inverness) und 95p (auf einigen Inseln und an abgeschiedenen Orten).


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  Frederik Ramm, 2001-04-25