Die Briten und der Tee

Tee ist nicht bloß ein "Getränk". Tee kommt, richtig genossen, in ebensovielen Variationen daher wie Whisky, vielleicht sogar wie Wein. Der Whisky-Vergleich paßt besser, weil man beim Tee nur in Ausnahmefällen nach Jahrgang unterscheidet. Genauso wie bei schottischem Whisky gibt es auch beim schwarzen Tee die sogenannten Blends, die als mehr oder weniger sorgfältig abgestimmtes Gemisch aus verschiedenen Sorten weitgehend gleichbleibenden Geschmack bieten, oder die üblicherweise höher geschätzten reinen Tees. Daneben natürlich eine Vielfalt von aromatisierten Tees, Kräuter- und Früchtetees (man glaubt gar nicht, aus was die Leute alles Tee machen), auf die ich nicht weiter eingehen will, da ich die meisten davon nicht eben schätze.

Während man aber bei Wein oder Whisky allenfalls Glasform und Temperatur selbst bestimmen kann, kommt bei Tee der vergleichsweise aufwendige Zubereitungsprozeß hinzu, der auf der Schattenseite auch viele Fehler erlaubt. Und da kommen wir zum Punkt. Aus meiner bescheidenen Sicht machen die Briten (hier vertreten durch die Schotten) alles falsch. Auf dem Zimmer findet man gewöhnlich Tassen normaler Größe und Teebeutel (einfachste Sorte, eher stärkere Mischung) vor. Wenn man einen dieser Beutel auch nur annähernd drei Minuten in eine dieser Tassen gibt, wird das ganze ungenießbar (es sei denn, man kippt Unmengen von Zucker oder Milch hinein). Daher machen wir den Tee immer in den bereitgestellten Wasserkochern (Kannen stehen selten da).

Kriegt man irgendwo Tee in einer Kanne serviert, sind grundsätzlich zuviele Beutel drin, und zum Ausgleich gibts meistens ein Wasserkännchen dazu. Das wäre ja noch okay, in Rußland wird der Tee auch so gemacht - bloß bleiben die Beutel in Großbritannien bis zum (im wahrsten Sinne des Wortes) bitteren Ende in der Kanne. Jede Tasse muß mit mehr Wasser verdünnt werden, und wer die Kanne nicht nach einer halben Stunde alle hat, der ist wirklich arm dran. (Aus diesem Grund haben britische Teebeutel auch fast niemals Schnüre, an denen man sie aus der Kanne ziehen könnte.) Und wehe dem, der um eine zweite Kanne bittet, nachdem die erste leer ist: Es wird auf die alten Beutel einfach neues Wasser draufgekippt. Beutel, natürlich - losen Tee habe ich hier noch nirgendwo bekommen, und ein einziges Mal konnte man sich wenigstens die Sorte aussuchen.

Fazit: Die Briten haben sich ihren Ruf als Tee- Genießer wirklich nicht verdient, und es ist mir ein Rätsel, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat.


  Frederik Ramm, 2001-04-25