Vierter Tag: Freitag, 31.3.95

immer noch Logbuch-Eintrag 31.3., 10:20, im Auto

Das Frühstück am nächsten Morgen war eine ziemliche Völlerei. Erst gab es Porridge, diesmal aber mit Salz (unser Gastwirt bei der ersten Übernachtung hatte ihn mit Zucker serviert und gewarnt, die echten Schotten nähmen allerdings Salz). Dann Ei (Rühr- oder gekocht, wobei das Rührei tendenziell immer etwas wabbelig und das gekochte immer steinhart ist, aber daran gewöhnt man sich); danach nach Wunsch Toast mit Marmelade, diverse Brötchen (die gar nicht allzu weich waren; Britannienkenner wissen, daß Brot wie bei uns hier undenkbar wäre, hier ist normalerweise alles so wie die Brötchen bei McDonald´s) und Cereals (also Cornflakes und Verwandte). Nachdem wir 1¼ Stunden gefrühstückt hatten, war mir fast schlecht. (Die lange Dauer der Mahlzeit war aber auch auf den Enkel der Hausherrin zurückzuführen, der uns mit Superman-Späßchen prima unterhalten hatte.) Wir beschlossen, eine weitere Nacht zu bleiben, ließen unser Gepäck im Zimmer und brachen auf.

Eigentlich wäre dies die Gegend, um auf dem allseits bekannten "Whisky Trail" zu wandeln und Destillerie nach Destillerie zu besuchen (und an der Verköstigung teilzuhaben). Gleich um die Ecke ist Schottlands bekannteste Destillerie, Glenfiddich (vgl. meinen Artikel über Whisky). Das Wetter ist jedoch so gut, daß wir uns entschlossen haben, eine Wanderung aus der Broschüre "Scotland Walking" (siehe Literaturhinweise) zu versuchen, und daher führt uns unser Weg zum ca. 35km südlich von hier liegenden Loch Muick, von wo wir "auf den Spuren von Prince Charles" zum Loch Nagar wandern können (der britische Thronfolger hat einmal mit großem Medienrummel ein Kinderbuch namens "Der alte Mann von Lochnagar" vorgestellt). So, jetzt muß ich aufhören, sonst wird mir übel von diesem Salz- Porridge. Nie wieder!

Logbuch-Eintrag 1.4., 21:25, im Bett

Lange her, der letzte Eintrag, aber alles der Reihe nach: Die Wanderung war eine ziemliche Katastrophe. Es fing damit an, daß wir auf dem Weg dorthin unfreiwillig einen Hasen totfuhren. Die ersten Etappen der Wanderung waren noch ok; die Wegbeschreibung liest sich wie der Walk-Through zu einem Adventurespiel, und es ist schon was anderes, als den vom örtlichen Wanderverein beschrifteten Pfaden daheim zu folgen. Allerdings hätten wir uns die geplante Route doch vorher genauer ansehen sollen: 11 Meilen, für die man angeblich 6-7 Stunden braucht - über 20 Minuten pro Kilometer sollten einen stutzig machen. Naja, so führte der "Weg" über Stock und Stein, durch fast moorartigen Grund und nach 755m (die Zahl lasen wir aber erst später auf einer Infotafel) Höhenunterschied über eine Bergkuppe, von der man eine herrliche Rundumsicht hatte.

Zuweilen beschlich uns allerdings das Gefühl, dies könnte die letzte Rundumsicht sein, die wir in unserem Leben genießen würden, so stark war der Wind dort oben. Immer wieder mußte man das eben zum Schritt gehobene Bein auf einem anderen Stein absetzen, als eigentlich geplant war, oder man versuchte verzweifelt, ostwärts zu gehen, driftete aber immer nach Süden ab.

(Vollbild)
Der Abstieg war nicht minder beschwerlich, erlöste uns aber zum Glück vom Wind; später ging es noch durch einige ebene Schneefelder, die nicht besonders groß, dafür aber zuweilen von Fließgewässern untergraben und so zu tückischen Fallen mutiert waren.


Ein Wunder eigentlich, daß sich niemand bei der Tour den Knöchel verstaucht hat und getragen werden mußte. Hätte es auf dem Berggipfel zu regnen angefangen (oder sogar zu schneien!), wer weiß, wie wir da jemals wieder heruntergekommen wären.

Nachdem wir erneut einige hundert Höhenmeter zurückgelegt hatten, gab es wenigstens noch einen tollen Wasserfall zu sehen (in der Wegbeschreibung stand "watch out for an impressive little waterfall", aber das Ding war ziemlich laut und mächtig, vielleicht wegen der Schneeschmelze).
(Vollbild)

Am Loch Muick entlang, dessen gegenüberliegendes Felsufer ziemlich eindrucksvoll aussah, liefen wir langsam zurück zum Auto, und bis wir ankamen, waren sogar Schuhe und Hosenbeine wieder etwas getrocknet. Es war schon fast 18:00 Uhr, und wir kauften noch ein bißchen in Ballater ein (Ela: "ist mir alles egal, solange ich nicht aussteigen muß!"), bevor wir wieder heimfuhren. Wow, das war ein Tag - und dabei hatten wir eigentlich für den Rückweg noch eine Destillerie geplant...

Zuhause, d.h. in unserem zwei-Tage-Domizil in Dufftown, angekommen, genehmigte ich mir ein Bad, und ansonsten passierte an dem Abend nicht mehr viel.


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  Frederik Ramm, 2001-04-28