Die Briten leiden, glaube ich, ein wenig darunter, daß sie die gleiche Sprache wie die Amerikaner benutzen. Zwangsläufig führt das dazu, daß amerikanische Produkte und der "American Way of Life" ihren Weg leichter nach Großbritannien als ins übrige Europa finden. Beim Einkaufen fällt das besonders deutlich auf.
Daß es mit dem Umweltschutz (Müllvermeidung usw.) sehr schlecht steht, habe ich schon in einem eigenen Artikel beschrieben. Natürlich gibt es beim Einkaufen die Plastiktüte(n) immer umsonst dazu, Stofftaschen gibt es nirgends. Meistens werden die gekauften Waren einem gleich eingetütet (in einem Superstore stand auch, es lebe Amerika, hinter jeder Kasse ein Tütenboy oder -girl dafür).
Die Struktur der Läden ist etwas anders als bei uns; es gibt weniger Supermärkte der mittleren Kategorie (wie HL, Pfannkuch usw.); stattdessen hat auch der kleinste Ort einen Spar- oder Coop-Laden oder zumindest einen unabhängigen "general merchant", in dem man die meisten Lebensmittel und Produkte des täglichen Lebens erwerben kann. Inbesondere in den kleineren Orten ist mindestens ein Laden bis 20:00, oft noch bis 22:00 geöffnet, Sonntag inklusive. (Die Innenstädte größerer Orte ist hingegen oft schon um 19:00 völlig ausgestorben.) Am anderen Ende der Größenskala liegen die "Superstores", riesige Einkaufshallen à la Wertkauf, auf die man allerdings erst in der Umgebung von Städten mit 20.000 und mehr Einwohnern trifft. Da gibt es dann richtig Einblick in die britische Warenwelt...
Auch beim Tee (siehe auch meinen Tee-Artikel) ist die Auswahl bei weitem nicht so groß wie bei uns. Vor allem gibt es kaum losen Tee, fast nur Beutel, und das wichtigste Merkmal der unterschiedlichen Produkte ist nicht die Teesorte, sondern Packungsgröße und Preis ("Economy Pack") - oft steht nicht mal drauf, was für ein Tee drin ist.
Obst und Gemüse gibt es in den ganz kleinen Läden selten frisch, aber dafür muß man dann eben einen Grocer aufsuchen. Frischkäsetheken sind selten, Käsegeschäfte (wie in Frankreich) gibt es auch nicht; im wesentlichen wird abgepackter Cheddar in allen Farbtönen von weiß bis orange konsumiert, auf Wunsch auch mit Hühnergeschmack. (Siehe dazu meinen Artikel über Ernährung.)
Bei Quark und Joghurt ist die Auswahl eher etwas kleiner als bei uns (sehr beliebt die Joghurts mit Geschmackskonzentrat in einer Knick-Ecke, insgeheim schneiden sie das bestimmt ab und werfen es weg), dafür gibt es haufenweise Creme-Desserts undsoweiter.
Überhaupt ist Großbritannien wohl das Land der Schokoriegel und Kekse; nirgendwo sonst gehört eine solche Menge von Süßigkeiten zur Standardausstattung eines Supermarkts. Und auch auf zwei anderen Feldern ist das Angebot umfangreich wie selten sonst: Einmal bei den Kartoffelchips (die heißen da aber "Crisps", denn "Chips" sind ja Pommes Frites) - die gibt es in allen Variationen und Geschmacksrichtungen, der Hit sind wohl die 600g-Packungen mit 12 verschiedenen Beuteln à 50g. Auch noch zu erwähnen die Cereals, also Cornflakes, Rice Crispies, Müsli undsoweiter (komisch: gesundes Essen paßt eigentlich gar nicht in meine Aufzählung). Auch hiervon gibt es in den großen Läden ganze Regale voll verschiedenster Marken und Produkte - wollte man alle mal probieren, wäre man bestimmt ein Jahr beschäftigt.
Zum Abschluß noch das schlimmste: Soft Drinks. Darunter fallen die auch bei uns bekannten Zuckersäfte Cola, Fanta und Konsorten, aber die Briten haben das Sortiment aufgestockt. In Anlehnung an "Lemonade" gibt es auch Raspberryade, Strawberryade und alle möglichen anderen Chemieprodukte, ebenfalls farbenprächtig Supermarktregale füllend, zum Teil mit Süßstoff. Claudia und ich warnten Ela noch und sagten ihr, daß wir bestimmt keinen Schluck aus der Zweiliterpulle "Cherryade" nehmen würden, aber sie kaufte sie trotzdem. Im Auto dann ein Zischen beim Öffnen, und Sekunden später riecht alles nach Kirschsirup. Ela nimmt einen Schluck und lacht danach fünf Minuten; nachdem auch wir anderen uns gebührend amüsiert hatten, haben wir das Zeug dann weggeschütttet (Vorsicht, färbt weiße Waschbecken in Nullkommanix rot).
Das beste war eine Fernsehwerbung am Donnerstag vor Karfeitag: "Morgen den ganzen Tag bis 22:00 Uhr 10% Rabatt auf alle Produkte im Texas-Baumarkt - das richtige für Ihr Osterprojekt!". Das hat mich sehr gefreut, ist es doch Zeichen für eine liberale Gesellschaft, in der nicht 90% der Bevölkerung nicht einkaufen können, weil 10% gern Ostern feiern möchten.
Ein kleines bißchen schäme ich mich für unsere "gesetzlichen" Feiertage, die eigentlich christliche sind und mit Gesetz nichts zu tun haben sollten. (Dasselbe gilt für Sonntage.) In Zusammenhang mit dem rigiden Ladenschluß muß doch bei jedem Briten, der Deutschland besucht, der Eindruck entstehen, die ganze Nation würde Ostern, Pfingsten, Allerheiligen, Christi Himmelfahrt, am Buß- und Bettag und an Weihnachten in heiliger Kontemplation versinken und nicht gestört werden wollen. Ich wünschte, das Bild würde nicht so verzerrt.
Ein anderer Leser, Peter Storm (vermietet u.a. Ferienhäuser), merkte im Mai 2000 an: "Es gibt eine Vielzahl von Supermärkten und auch kleineren Geschäften, in denen man alles bekommt, was man möchte. So gibt es fast in jedem Lebensmittelladen 1. Frischgemüse, meistens lokal angebaut 2. Frisches Fleisch, teilweise auch von lokaler Herkunft, abgepakt oder frisch geschnitten von einer Fleischtheke 3. Aufschnitt in einer großen Variantenfülle 4. Frischen Fisch, teilweise mit Angabe des Anlandungshafens und des Fangdatums (auch lokal) 5. Frisches Brot: Hier wird ständig im Laden frisches Weißbrot nach franzosischem Stil gebacken. Sie fangen jetzt aber auch an, deutsches Tüten-Graubrot anzubieten. Übrigens gibt es jedes Weißbrot auch in Vollkornvarianten. 6. Die Softdrinks wie Cola sind weltweit verbreitet und kein schlechter Stil der Schotten. Wir trinkens gerne. Es gibt jede Art von Säften. 7. Es gibt fast in jedem Supermarkt eine Vielzahl von ausländischen Nahrungsmitteln, hauptsächlich indisch, indonesisch, chinesisch und englisch. [...]"